Last updated on Dezember 18, 2023

Die generelle Haltung „das kann man so oder so sehen“ teile ich grundsätzlich nicht. Sie führt in eine Situation, in welcher angeblich alles relativ ist und rationale, kontrovers diskutierte Abwägungen durch Propaganda und Spektakelpolitik ersetzt werden. Das endet in faschistischen Diktaturen, ob links oder rechts – jedenfalls aber nicht in Freiheit.

In letzter Zeit hatte ich einige Diskussionen zu Meldungen und Meinungen in öffentlich-(rechtlichen) Medien vs. sozialen Medien. Dabei kommt häufig das Argument, man müsse Befürworter und Gegner z.B. zum Klimawandel oder Impfen gleichberechtigt nebeneinander stellen und als Wertung dazu „das kann man halt so oder so sehen“.

Alles einfach gleichberechtigt nebeneinanderzustellen, würde zu False Balance führen. Ist z.B. hier diskutiert: „False Balance ist der größte Fehler der Journalisten“. Anschauliches Negativbeispiel sind manche Folgen des Polit-Talks „Talk im Hangar-7“.

Soziale Medien ermöglichen zwar einen freien Informationsaustausch, es wäre aber ein fatales Missverständnis anzunehmen, soziale Medien seien grundsätzlich demokratische Infrastruktur. Sie sind voller Selbstinszenierung und häufig von Algorithmen gesteuert, welche Beiträge entsprechend der vom Algorithmus angenommen eigenen Meinung (auch meiner) filtern. Sie können, wurden und werden zu Propaganda und Manipulation missbraucht, wie wir prominent am Skandal um Facebook/Cambridge-Analytica gesehen haben. Das Filtern folgt gerade der Aufmerksamkeitsökonomie, was wir an den öffentlichen Medien zu Recht kritisieren. Es führt gerade in den häufig für ihre Authentizität gelobten Social-Media-Gruppen genau zu der Einseitigkeit, die von deren Fürsprechern an öffentlichen Medien kritisiert wird – im Unterschied zu den kritisierten Medien aber völlig intransparent und ohne professionelle redaktionelle Bearbeitung.

Es gibt natürlich große Unterschiede in Qualität, Objektivität/Propaganda zwischen den unterschiedlichen öffentlichen Medien. Man vergleiche nur Fox und RT mit den deutschen Öffentlich-Rechtlichen.

Ein prima Buch zum Thema: Hörensagen: Die Kunst der Wahrheitsfindung in einer faktenfeindlichen Welt.

FAZ 2014: Ist halt so, ist die Wahrheit!

Atypisch/Still: Über das metaphysische Bedürfnis in Zeiten der Pandemie und davor (Teil I/II)

Psychiaterin Heidi Kastner: „Man muss nicht jede Meinung wertschätzen“